im Entwurf
Unser Umgang miteinander ist nicht von Natur aus
festgelegt, sondern muß erlernt werden. Dies beginnt beim Kleinkind beim Umgang
mit den Eltern und Geschwistern, setzt sich bei den Spielgefährten der
Nachbarschaft und im Kindergarten über Schulzeit und Studium bis zum beruflichen
Umfeld, Hobbies und den Menschen fort, die man in der Freizeit trifft. Mit
vielen anderen Menschen man Umgang hat und wie häufig und eng dieser ist, aber
auch wie verschieden die Menschen sind, prägt die Fähigkeit mit anderen
umzugehen generell.
Damit prägt unsere Art des Wohnens auch unsere sozialen Fähigkeiten. Natürlich
gibt es noch andere Gelegenheiten, mit Anderen zusammen zu sein: Der Beruf,
Vereine, Sport, Kultur, Einkaufen, usw. Aber hier ist der Umgang mit den
anderen stark durch Rollen festgelegt. Im Beruf bestimmt die Hierarchie die
Umgangsform, meist wir über berufliche Themen geredet, es gibt einen beruflichen
Verhaltens-Kodex. Ähnlich ist es auch in Vereinen und anderen
Freizeit-Kontakten. Manchmal entwickelt sich zwar auch aus diesen Umfeldern
persönliche Freundschaften, aber auch diese hängen oft noch von ihrer Quelle ab
-und reißen mit ihr ab.
Auch bei den Kontakten, die wir mit unseren Nachbarn
haben, spielen wir eine Rolle, eben die des "Nachbarn". Und diese sieht einen
oberflächlichen Kontakt vor, man grüßt sich auf der Strasse, es gibt dort oder
am Zaun etwas "smalltalk", manchmal läuft man sich auch mal zu einem Fest ein,
aber meist bleibe diese Kontakte oberflächlich. Was sollte man mit dem Nachbarn
auch anfangen? Jeder hat seine eigenen Interessen und Hobbies und selbst wenn
man hier Gemeinsamkeiten hat, heißt das noch lange nicht, daß man sie auch gern
und sinnvoll gemeinsam ausleben möchte. Dazu kommt noch die Befürchtung, daß der
andere einen bei zu engen Kontakten ausnützen und nerven könnte, zum Beispiel
durch anpumpen, zuviel Anspruch auf Hilfe, zu viel reden, o.ä.
Nun sind die meisten Menschen mit ihrem sozialen Umgang ganz zufrieden -solange
sie beruftätig sind, mobil genug sind, um ihren Interessen außer Haus
nachzugehen und durch eigene Familie und sonstigen Umgang mit anderen nicht viel
allein sind, um sich einsam zu fühlen. Das ändert sich aber oft, wenn man
umziehen muß und seine Freunde verliert und wenn man keine Arbeit mehr hat. Im
Alter kommt dann irgendwann alles zusammen: Man ist in Rente, hat Probleme
mit der Mobilität, Bekannte und Freunde gehen verloren und wenn die Kinder aus
dem Haus und der Partner tot ist, sitzen die Mensch allein und einsam in ihrer
Wohnung. Manchmal stellt sich dann auch heraus, daß die Freunde nur
"Schönwetter-Freunde" waren, die an einem nur solange Interesse hatten, solange
es zu ihrem Vorteil war.
Dabei wohnen es fast immer in der Nähe einige Menschen, die gern helfen würden oder denen es ähnlich geht und gern Gesellschaft haben und leisten möchten. Aber warum finden die Mensche nicht zusammen?
Das Problem unserer modernen Wohnwelt ist, daß Räume zur Bildung von Gemeinschaften und zum Kennlernen fehlen. In der Sozialpsychologie ist es schon sehr lange bekannt, daß zwischen dem rein privaten und den öffentlichem Raum Übergänge sein sollten, halbprivate oder halböffentlich Räume, in denen sich Menschen begegnen und verweilen und sich dort besser kennenlernen können. Dieses Konzept wird aber von Planern, Architekten und Hausverwaltungen hartnäckig ignoriert. Solche Räume könnten schon Hausfluren und Treppenhäuser sein, die von den Bewohnern des Hauses mit Bildern und Pflanzen geschmückt (als ihr Revier markiert), und auch mit kleinen Möbeln bestrückt werden könnten. So etwas wird von Hausverwaltungen aber meist nicht geduldet. Als Grund wird meist "Brandschutz" angegeben, was zwar nicht ganz falsch ist, aber hier wird oft so übertrieben, daß wohl eher Herrschaftsallüren der Verwaltungen und Hausmeister dahinterstecken. Allerdings ist ein Treppenhaus auch nicht der geeignetste Ort für ein Kennenlernen, dazu ist zuwenig Platz und die Geräusche von Gesprächen würden zu sehr in die Wohnungen dringen. Besser sind Zweckräume, die gemeinsam genutzt werden, z.B. eine Waschküche. Früher gab es so etwas in den Häusern, aber da sich heute jeder seine Waschmaschine leisten kann, sind selbst diese kleinen Anknüpfungsorte verschwunden. Ideal wären aber Räume, die dazu einladen, dort öfter hinzugehen und länger zu verweilen, insbesondere eine Wohnküche, in der man sich treffen und auch gemeinsam kochen und essen könnte.
Bei der Schaffung solcher Orte muß aber beachtet werden,
daß sie nicht zu vielen Bewohnern zugeordnet sind. Das hat zum einen seinen
Grund in der Überforderung: Die zwischenmenschliche Kommunikation ist vein sehr
komplexer Prozeß, der unsere geistigen Ressorcen stark fordert. Kommikation
findet nicht nur über Sprache statt, das meiste ist eher non-verbal (Kleidung,
Körperhaltung, Mimik, Gesten...) und bei der Sprache kommt es oft mehr darauf
an, wie etwas gesagt wird, als was. Da wird viel unbewußt ausgefiltert, bewertet
und übersetzt, bevor wir es bewußt wahrnehmen. Diese Komplexität steigt mit der
Verschiedenheit der Partner (abhängig von Alter, Kultur, sozialer Herkunft,
Bildung,..) und deren Menge. Kommen zu viele und zu verschiedene Menschen
zusammen, kann dies leicht zur Überforderung führen und diese kann dann zwei
Folgen haben: Aggression und Konflikte oder Rückzug. Beides ist für eine
Gemeinschaft tödlich. Daher muß man solcher Überforderung vorbeugen und muß die
Gemeinschaft, die sich bilden soll, begrenzen.
Ein anderer Grund ist die Gruppenbildung. Die Menschen neigen dazu, sich in
Gruppen aufzuteilen, je nach Interessen, Sympathie, Gleichartigkeit. Wenn
Gruppen bestehen, führt dies zu Konflikten, denn jeder neigt dazu seine Gruppe
aufzuwerten, was die Abwertung der anderen bedingt. Damit beginnt dann auch der
Kampf um Ressourcen, zum Beispiel die Zeit, die Gruppen Gemeinschaftsräume für
sich nutzen können. Auf diese Weise kann die gutgemeinte Bereitstellung von
Gemeinschaftsräumen ins Negative umschlagen und zum ständigen Streit zwischen
Nachbarn sorgen.
Nun gab es ja schon in der Vergangenheit, insbesondere
den 60-70er Jahren eine WG-Bewegung. Aber fast alle diejenigen, die mal so
gewohnt haben, sind dann doch wieder ein etwas "Eigenes" gezogen, übriggeblieben
ist die WG nur als vorübergehende Notlösung fütr Studenten und andere, die sich
keine eigene Wohnung leisten können. Das liegt zum größten Teil daran, daß in
diesen Wohnungs-WGs den Menschen zuviel Nähe zugemutet und zuwenig Privat-Späre
möglich ist. Jeder Mensch hat das Bedürftnis nach Privatheit, will sich
zurückziehen können, ungestört sein, eine Raum haben, in den niemand ohne
Einladung eindringen darf. Manchmal wurde dieses Bedürftnis ja sogar absichtlich
behindert, in dem es einen ideologischen Zwang der "offenen Tür" gab. Überhaupt
haben sich viele Gemeinschafts-Bewegungen durch zuviel ideologischen Zwang
selbst sabotiert, denn so etwas erträgt niemand auf Dauer.
Es ist also wichtig, daß bei allen Formen des gemeinsamen Wohnens jedem genug
Privatsphäre in Form einer eigenen Wohnung/ Appartments zugestanden wird.
Dabei sollte diese Privatheit auch respektiert werden, indem Bewohner, die sich
gern zurückziehen, nicht ständig gedrängt werden, sich der Gemeinschaft mehr
anzuschließen oder anderweitig belästigt werden.
Beim Thema "persönlicher Raum" soll hier noch darauf hingewiesen werden, daß die
Psychologie darunter noch etwas anderes versteht: Nämlich den körperlichen
Abstand, den sich jemand zu anderen Personen wünscht. Wie nah jemand einem
kommen darf, ohne daß man soch bedrängt fühlt, hängt von der Beziehung zu der
Person ab, ist aber auch individuell, kulturell und sozial verschieden.
Wenn man also merkt, daß jemand zurückweicht, wenn man sich nähert, sollte man
einen Schritt zutun und den gewünschten Abstand einhalten. Auch bei der
Bemessung von Gemeinschaftsräumen muß darauf geachtet werden, daß sie groß genug
sind um solche Abstände einzuhalten.
Mehr Gemeinschaft beim Wohnen kann unser Leben also
besser machen. Aber es ist nicht einfach und damit es gelingt, sollte man die
Probleme nicht unterschätzen, denn wir sind so ein enges Miteinander eben nicht
gewohnt (!). Jeder Mensch hat seine individuellen Eigenheiten, die meisten
bewegen sich im Bereich des "Normalen" (als normal gilt eben, was den meisten
eigen ist), andere sind etwas extrem, eben Exzentriker. Daher müssen Menschen je
mehr bereit sein, einerseits die Eigenschaften anderer zu dulden, aber auch ihre
eigenen nach den anderen auszurichten, je enger sie zusammen wohnen, Große
Toleranz ist dabei bei den Meinungen nötig. Politische Ideologen oder religiöse
Moralisten sind für eine Wohngemeinschaft eine Belastung, hier sollte jeder in
der Lage sein, auch mit Meinungen ,die konträr zu den eigenen sind, sachlich und
ruhig umzugehen. Strittige Themen zu vermeiden ist auf Dauer keine Lösung, es
ist auch nicht nötig bei reinen Meinungen einen Konsenz zu suchen, hier muß man
die Differenzen respektieren.
Anders sieht es mit aktivem Verhalten aus, das auf die anderen Einfluß hat. Das
betrifft insbesondere Themen wie Ordnung und Sauberkeit, Ruhe/Lärm, Nutzung
gemeinsamer Resourcen, u.ä. In seinen eigenen Räumen kann jeder machen, was er
will (soweit es nicht nach draussen dringt), aber in den Gemeinschaftsräumen muß
jeder bereit sein, sich an Konventionen zu halten. Diese sollten von Beginn an
(schriftlich) fixiert werden und jedem neuen Bewohner bzw. Bewerber deutlich
mitgeteilt werden. Allerdings sollte man hier auch nicht zu streng sein und
kleinere Abweichung als normal ansehen.
Wenn exentrisches Verhalten (Rosinenpicker, Extrawurstliebhaber, extreme
Schlamper und Messies, Sauberkeitsfanatiker,..) geduldet wird, wird dies vom
Betroffenen als Akzeptanz und Gewohnheitsrecht gedeutet, die anderen werden aber
zunehmend genervt und irgendwann wird es zu einer Krise kommen, die die ganze
Gemeinschaft zerstören kann.
Hier muß auch etwas erwähnt werden, was die Psychologie "Ideosynkratiekredit"
nennt. Wenn jemand in einer Art etwas besonderes leistet, zum Beispiel die
Gemeinschaft durch besondere soziale Kompetenz bereichert oder mehr für den
gemeinsamen Haushalt leistet als andere, wird ihm/ihr das angerechnet, indem man
dann nicht verlangt, sich an andere Verhaltensnormen halten zu müssen. Es werden
also die Verstöße mit den Verdiensten verrechnet. Das ist nicht falsch, man muß
sich dessen aber bewußt sein. Das Problem ist dabei, daß das von jedem anders
verrechnet wird, es gibt hier keine objektive Rechenmethode.
Welche Regeln in einer Gemeinschaft gelten, sollten
demokratisch festgelegt werden. Ein Problem jeder Demokratie ist es, daß es
Regeln gibt, die auch eine demokratische Änderung vertragen, andere dagegen fest
fixiert sein oder allenfalls mittels 2/3 Mehrheit oder gar einstimmig
veränderbar sein sollten. Denn solche Gemeinschaften können ganz verschiedene
Lebenskulturen haben, man denke an den Unterschied zwischen einer eher
konservativen und einer lockeren Hippie-Gemeinschaft. Wer in eine Gemeinschaft
zieht, sollte eine gewisse Garantie haben, daß sie ihren Charakter behält,
schließlich ist es ein Zuhause, das man nicht gerne aufgibt.
Ist es auch nicht schlecht, wenn es einen externen Moderator gibt, der bei
Problemen um Vermittlung gebeten werden kann, denn kein Bewohner ist in der Lage
hier objektiv zu sein.
Insgesamt muß man immer daran denken, daß Menschen
unterschiedlich ist, diese Individualität ist das Menschliche und bereichert
eine Gemeinschaft auch. Eine Gemeinschaft, in der sich die Charaktere und
Gewohnheiten ausgleichen dürfte besser und stabiler funktionieren, als eine in
der sich alle sehr ähnlich sind. Denn wir projezieren das, was uns an uns selbst
nicht gefällt, gern auf andere und können daher unser äußeres "Selbst" am
wenigsten leiden. Meist finden sich bei Paaren und Freuden ja auch Gegensätze
an.
Aber zum Zusammenleben gehören eben auch gemeinsam akzepetierte und gelebt
Regeln und Normen. Jedem solte klar sein, daß seine eigene Einstellung nicht die
einzig richtige ist, weil es die gar nicht gibt. Alles ist subjektiv und relativ
und was als "normal" gilt, ist immer die Ansicht der Mehrheit. Dies muß man in
einer Gemeinschaft aber akzeptieren, wenn man in ihr leben will.
Jede Gemeinschaft benötigt eine Grundlage, das ist das, was man "Gesellschaftskultur" nennt. Eine "multikulurelle Gesellschaft" kann nicht funktionieren, weil es ein Widerspruch in sich ist, -soweit man unter "Kultur" nicht nur die Oberfläche versteht. Was geht, sind Gemeinschaften mit verschiedener Kultur nebeneinander, aber auch die müssen auf den Gebieten ein gemeinsame Kultur haben, auf denen sie sich begegnen, wenn es friedlich bleiben soll.