Politik

"Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen" (Helmut Schmidt)

"Wer keine Visionen hat, sollte vielleicht Arzt werden, aber kein Politiker" (Werner Rother)

 

Wenn vom Wohnungs- und Hausbau die Rede ist, kennen die meisten (Lokal)Politiker nur zwei Versionen: Die Ausweisung von Baugebieten für 1-2 Familie Häuser samt umzäuntem Grundstück, Garagen und Strassennetz und den Bau von Stadthäusern für (Miet) Wohnungen, die außer dem Treppenhaus keine Gemeinschaftsflächen haben.
Ersteres ist aber ökologisch sehr schädlich und unsozial. Ökologisch ist es nicht mehr verantwortbar, weil hier sehr viel Fläche pro Bewohner verbraucht wird, zum großen Teil auch versiegelt. Auch die Gärten sind nicht gerade ein Quell biologischer Vielfalt, wenn man sieht, daß es sich meist um sterile Rasenflächen handelt. Dazu kommt das hohe Verkehrsaufkommen, da die meisten Siedlungen keinerlei eigene Versorgung haben und man wegen jeder Kleingkeit mit dem Auto in die Stadt fahren muß. Außerdem ist der Bedarf an Heizenergie für Einzelhäuser weit höher als bei Häusern mit Wohnungen.
Unsozial sind diese Siedlungen in doppeltem Sinn: Wer sich ein Grundstück kaufen und ein Haus darauf bauen will, muß viel Geld aufbringen. In manchen Regionen können sich so etwas nur noch Millionäre leisten, andernorts ist das noch für den Mittelstand möglich, aber auch dort wird es durch die Verknappung der Flächen immer teurer.  Aber "sozial" hat nicht nur mit Geld zu tun, dieses Wort bedeutet ja ganz allgemein "Gemeinschaft".  Ein solche ist in diesen Siedlungen aber nicht zu erkennen, vielmehr kann man beobachten, daß die Zäune und Hecken immer höher werden und nun sogar durch Steinmauern ersetzt werden. Wenn sich Mensch so einmauern, dann weil sie Angst haben und diese Angst kommt aus mangelnem Vertrauen in die Gesellschaft. Durch diese Isolation beginnt aber ein Teufelskreis, je mehr man sich von den anderen abkapselt, desto geringer wird das gegenseitige Vertrauen.

Beim Bau von Häusern für Wohnungen in der Stadt ist zwar die ökologische Seite weit besser, beim sozialen mangelt es aber auch hier: Durch die abgekapselten Wohnungen und das Fehlen von Gemeinschaftsräumen können sich die Nachbarn kaum besser kennenlernen. Daher gibt es auch hier Isolation und diese ist umso größer, je mehr Menschen dicht gedrängt nebeneinander (aber nicht zusammen-)wohnen. Hier liegt eine Ursache für soziale Mißstände, bis hin zur Kriminalität. Die Psychologie kennt diese Zusammenhänge schon lange, aber diese Kenntnisse werden weder von Architekten, Bauherrn oder der Politik aufgegriffen.

Es ist höchste Zeit, daß sich an dieser Wohnungs- und Siedlungspolitik etwas ändert. Aber dazu fehlt den Politikern die Weitsicht und der Mut. Verlangt jemand nach anderen Wohnformen werden diese als Exoten betrachtet, die etwas ungewöhnliches wollen, daß das Gewohnte (!) auf den Kopf stellt und reflexartig abgelehnt oder allenfalls mit der Zange angefasst.
Auch sollte der Begriff "sozial" in der Politik hinterfragt werden. Zwar ist der "Sozialstaat", der kommunale und staatliche Einrichtungen schafft und arme Bürger bezuschußt, wichtig, aber er hat auch eine Kehrseite:  Man braucht sich über die "soziale Kälte" und mangelnde Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft nicht wundern, wenn der Staat als umfassender Fürsorger auftritt. Denn da sagt sich jeder: "Warum soll ich mich um meine Mitmenschen kümmern, wenn sie Probleme haben, sie bekommen sie doch genug staatliche Hilfe". Aber der Staat kann sich nicht um alles kümmern und bei Einsamkeit und anderen psychischen Problemen hilft weder Geld noch ein Sozialdienst, der mal kurz vorbeikommt. Außerdem ist die institutionelle Hilfe bei unserer Alterstruktur in Zukunft nicht mehr bezahlbar.
Die Schaffung von Wohn-Häusern, in denen sich die Menschen gegenseitig helfen können, ist die einzige Alternative.

 Wer eine wirklich soziale Wohnkultur schaffen will, sollte sich auch mit dem Recht von Grund- und Boden beschäftigen. Um Häuser bauen zu können, benötigt man ein Grundstück und das muß groß genug und bezahlbar sein, außerdem sollte es die richtige Lage haben. Solche Grundstücke gäbe es genug, aber oft verlangen die Eigentümer sehr hohe Preise oder wollen gar nicht verkaufen, selbst wenn sie das Grundstück gar nicht nutzen.
Nun gründet Eigentum naturrechtlich darauf,  daß dem Mensch seine Arbeitskraft gehört, und damit auch alles, was er aus ihr schafft oder dafür eintauscht. Damit ist Eigentum aber ursächlich nur legitim, wenn es sich um etwas von Menschen geschaffenes handelt, was bei Grund und Boden (und allen natürlichen Ressourcen) nicht der Fall ist. Jeder Quadatmeter Boden wurde dem Volk einst gestohlen, meist von Eroberern und dem Adel. 
Ich vermisse bei Parteien, die sich "sozial" nennen, den Mut, dieses Thema anzugehen und dem Volk sein ursprüngliches Eigentum zurückzuholen. Die Idee, allen Boden zu verstaatlichen, war am Anfang der Bodesrepublik sogar bei konservativen Politikern vorhanden. Aber da sich sehr schnell die besitzenden Eliten wieder durchgesetzt haben, wurde aus dem Grundeigentum ganz schnell wieder eine heilige Kuh.

Dabei gäbe es durchaus Methoden, den Grund legal und verfassungskonform zurückzuholen:
- Ein Gesetz, daß es Gemeinden, Länder und Staat verbietet, noch vorhandenen Grundbesitz zu verkaufen, er dürfte nur noch verpachtet werden.
- Bauland sollte nur noch auf Grund im öffentlichen Besitz ausgewiesen werden.
- die Grundsteuern für nicht (sinnvoll) genutztes Land könnten deutlich erhöht werden, aber auch die Erbschaftsteuern.

Welche sozialen, ökologischen und städtebaulichen Steuerungsmöglichkeiten die Politik (v.a. die Gemeinden) hätten, wenn alles Land im Eigentum der Bürger wäre und nur noch verpachtet würde, kann sich jeder selbst ausmalen. Und auch für die Pächter wäre es ein Gewinn: Jeder kann sich ein (angemessenes) Stückchen zu, Wohnen, aber auch für (land)wirtschaftliche Zwecke leisten und außer der Pacht fallen keine weiteren Kosten und Risiken an (z.B. beim Strassenausbau).

Bleibt zu hoffen, daß es bald wieder Politiker gibt, die sich trauen vom Gewohnen(!) abzuweichen und neue Wege zu gehen, anstatt nur den Bestand zu verwalten. Allerdings sollten sich diese an der Realität orientieren und sich nicht in ideologischem Wunschdenken verlieren.